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Bio-Kaffee: Welches Siegel ist vertrauenswürdig?

Bio-Kaffee, Bio-Lebensmittel aller Art und so viele verschiedene Siegel. Schwirrt Dir auch manchmal der Kopf bei diesem Überangebot an Zertifikaten? „Bio“ als Begriff wird sehr häufig benutzt, ist verkaufsfördernd und rechtfertigt teilweise auch höhere Preise. Kein Wunder, dass es da auch Trittbrettfahrer gibt, die am Geschäft mit Bio-Kaffee partizipieren möchten. Daher möchten wir Dir an dieser Stelle einen Überblick verschaffen, was echter Bio-Kaffee genau ist.

 

Bio-Kaffee ist ein ökologisches und kein ökonomisches Siegel

Als erstes ist es wichtig zu verstehen, dass die Bezeichnung „Bio“ sich allein auf das Produkt und seine Herstellbedingungen mit Blick auf umwelt- und klimarelevante Aspekte bezieht. Bio-Kaffee bedeutet nicht, dass er zwangsläufig auch fair gehandelt oder unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde. Dafür gibt es gesonderte Zertifikate. Der Kaffee kann fair gehandelt sein, muss aber nicht. Fair gehandelter Kaffee kann Bio-Qualität haben, muss aber nicht. Die Bio-Siegel für Kaffee fokussieren sich auf vier wesentliche Aspekte der Herstellung:

  • Anbaubedingungen
  • Ernte
  • Weiterverarbeitung
  • Röstung

 

Bio Kaffee Welches Siegel

 

Anbau und Ernte von Bio-Kaffee

Ein wesentliches Merkmal des Bio-Kaffee Anbaus sind Mischkulturen und Schattenbäume. Letztere sind in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr industriellen Produktionsmethoden gewichen, weil sie den großen Erntemaschinen im Weg standen. Schattenbäume erhöhen nachweislich die Plantagenerträge, aber in der auf Effizienz getrimmten Kaffeewirtschaft entwickelten brasilianische Züchter mitunter Sorten, die auch ohne Schatten ertragreich sind. Teilweise jedoch auf Kosten anderer Eigenschaften.

Bio-Kaffee wird heutzutage gemeinsam mit Avocado, Grapefruit, Bananen, Papaya, Ananas oder Eukalyptus angebaut. Vorteile des Mischanbaus sind eine Auflockerung des Bodens, eine verringerte Erosionsgefahr und ein natürlicher Schutz gegen Unkraut und Schädlinge, wie Raupen oder Erdflöhe, was wiederum den Einsatz von Chemikalien erspart. Das ist gleichbedeutend mit einem verringerten Düngemittelbedarf, der beim Anbau von Bio-Kaffee ohnehin nur aus Naturdünger (z.B. Kaffeekirschensatz) gedeckt wird. Da Schattenbäume die Verdunstung reduzieren, ergeben sich besonders in Anbauregionen, in denen Wasser knapp ist, ökonomische Vorteile, weil die Bewässerung extrem kostenintensiv ist. Bei der Ernte kann nicht immer auf Erntemaschinen verzichtet werden, aber ihr Einsatz erfolgt mit Augenmaß und auf eine Weise, die den Einklang mit der Natur nicht negativ beeinflusst.

 

Verarbeitung und Röstung

Kennzeichnend für die Verarbeitungsprozesse der frisch geernteten Kaffeekirschen aus biologischem Anbau ist der hohe Anteil an Handarbeit. Das gilt für die Fruchtfleisch-Entfernung, die Reinigungs- und die Fermentierungsprozesse gleichermaßen. Bei der Röstung wird schonend vorgegangen. Bio-Kaffee wird bei moderaten Temperaturen von 200 °C über einen Zeitraum von länger als einer Viertelstunde geröstet, was zu einer besseren Ausprägung der Geschmacksaromen und einem jeweils individuellen Kaffee-Charakter führt. Bei der schnellen Schockröstung von Discounter-Kaffee mit Temperaturen um die 800 °C geht viel Geschmack verloren und wird Bitterkeit erhalten, weil beispielsweise die Fruchtsäuren nicht vollständig abgebaut werden.

 

Bio-Kaffee nach deutschem und EU-Siegel

Bei Bio-Lebensmitteln gibt es unendlich viele Siegel. Einige davon werden nur regional eingesetzt. Es gibt vertrauenswürdige und weniger vertrauenswürdige Siegel. Letztendlich sind die aussagekräftigsten Siegel staatlich kontrolliert. Das deutsche Siegel ist sechseckig und enthält die Beschriftungen “Bio” und “nach EG-Öko-Verordnung”. Das europäische Gegenstück sieht aus wie ein stilisiertes Blatt aus weißen Sternen auf grünem Untergrund. Bio-Kaffee mit diesen beiden Zertifikaten ist gemäß den oben beschriebenen Richtlinien angebaut worden. Auf chemische Düngezusätze, Wachstumsregulatoren und Gentechnik wurde definitiv verzichtet. Eine Überprüfung der EU-Bioverordnung erfolgt einmal jährlich. Zertifikate werden erst nach der Abstellung von Mängeln verlängert. Es wird sogar kontrolliert, dass konventionell hergestellter und Bio-Kaffee getrennt voneinander gelagert werden.

 

Warum die Bio-Variante besser ist und welche Vorteile sie bietet

Bio-Kaffee ist aus mehreren Gründen besser als herkömmlich hergestellter Kaffee. Sowohl Konsumenten als auch das Klima profitieren.

  • Aus Verbrauchersicht bietet Bio-Kaffee einen besseren Geschmack, weil die schonende Röstung Fruchtsäuren abbaut und Aromen erhält.
  • Außerdem ist der Kaffee nicht mit Rückständen aus Pestiziden oder künstlichen Dünegmitteln belastet und deshalb gesünder.
  • Aus gesellschaftlicher und umweltpolitischer Sicht ist seine Herstellung nachhaltiger und klimafreundlicher.
  • Zudem sichert der hohe Anteil von Handarbeit Arbeitsplätze, auch wenn das Thema der fairen Entlohnung nicht über das Siegel mit abgedeckt wird.

 

Gibt es einen Haken bei Bio-Kaffee?

Wie immer hat Qualtität seinen Preis. Zum einen ist die Herstellung nicht Effizienz-optimiert, zum anderen kostet eine Zertifizierung Geld, welches letztendlich auf den Verbraucher umgelegt wird. Dies macht etwa 0,60 € pro Kilogramm Bio-Kaffee aus. In Europa ist die Akzeptanz für solche Mehrkosten deutlich höher als in den USA, sodass viele Kaffeeanbauer auf das Siegel verzichten. Das heißt, dass Bio-Kaffee mit Siegel zwar für geprüfte Qualität steht, dass es andererseits aber auch viele Kaffee-Sorten gibt, die Bio-Kaffee-Qualität repräsentieren, aber kein Label dafür besitzen. Diese Sorten fallen demnach nicht auf. Das trifft beispielsweise auf fast die gesamte äthiopische Kaffee-Produktion zu. 95 % der dortigen Kaffeebauern sind sogenannte “Smallholder Farmer”. Sie produzieren Kaffee auf traditionelle Art, was im Prinzip gleichbedeutend mit kontrolliert biologischem Anbau ist.

 

Ungeheure Vielfalt an Bio-Kaffees

Genauso wie beim normalen Kaffee wird in verschiedene Bohnensorten unterschieden, in verschiedene Mahlgrade und in die Verwendung in unterschiedlichsten Machinen. Du kannst auch bei den Bio-Varianten alles finden, was Dein Herz begehrt.

  • Maschinen: Es gibt Bio-Kaffee für Filtermaschinen, Siebträgermaschinen, Vollautomaten, Pressstempelkannen, Kapselmaschinen und für jede andere Vorrichtung, mit der sich Kaffee zubereiten lässt.
  • Mahlgrade: Der Kaffee kann ungemahlen als Bohnen gekauft werden oder in verschiedenen Mahlgraden. Ein feiner Mahlgrad bietet sich beispielsweise in Vollautomaten an, ein mittlerer Mahlgrad für Filterkaffee oder eine grobe Körnung für Pressstempelkannen („French Press“).
  • Bio-Kaffee-Bohnen: Auch hier ist die gesamte Pallette verfügbar. Arabica- und Robusta-Bohnen aus allen Anbaugebieten der Welt und in allen gängigen Geschmacksrichtungen stehen in Bio-Qualität zur Verfügung.

 

 

Bio-Kaffee in Kapseln: Was ist mit der Verpackung?

Das Bio-Siegel für Kaffee bezieht sich primär auf das Produkt und seine Herstellung. Die Verpackung ist gerade bei Kaffee ein sensibles Thema. Gerösteter Kaffee verliert sehr schnell sein Aroma und noch schneller geht dieser Verlust vonstatten, wenn der Kaffee frisch gemahlen ist. Daher ist es unvermeidlich, dass Kaffee, auch Bio-Kaffee, schnell luftdicht verpackt werden muss. Das sind meistens Verpackungen, die mit Metallfolie beschichtet sind. In der Klimabilanz sind diese Verpackungen nicht unbedingt leuchtende Vorbilder, aber sie sorgen immerhin dafür, dass wertvolle Lebensmittel nicht verderben.

Man kann effizient verpacken, z.B. in größeren Gebinden, muss dann ein angebrochenes Gebinde aber auch in bestimmter Zeit aufbrauchen. Viele Bio-Kaffees werden in superkleinen Gebinden, d.h. Kapseln angeboten, die mit Nespresso-Maschinen kompatibel sind. Üblicherweise bestehen diese Kapseln aus Aluminium, was eine lange Haltbarkeit garantiert. Viele Anbieter werben mittlerweile mit klimaneutralen Kapseln aus kompostierbarem Kunststoff. Das sind löbliche Ansätze, es bedeutet aber auch, dass Du mit dem Verbrauch nicht allzu lange warten solltest. Der Nachweis zur Klimaneutralität und zur Kompostierbarkeit dieser Verpackungen läuft aber nicht über das Bio-Siegel, sondern über andere Normen und Zertifikate. Da kann so ein Bio-Kaffee schon mal auf sechs bis acht Prüfzertifikate kommen.

 

Entkoffeinierter Bio-Kaffee: Geht das?

Zum Bio-Siegel gehört, dass auch in den Weiterverarbeitungsprozessen nur mit natürlichen Substanzen gearbeitet wird. Die Entkoffeinierung ist ein zusätzlicher Verfahrensschritt, der bei einer Bio-Zertifizierung natürlich auch unter die Lupe genommen werden muss  Wir haben auf dieser Plattform schon mehrere Methoden der Entkoffeinierung von Kaffee vorgestellt. Vier dieser Verfahren haben heutzutage eine wirtschaftliche Relevanz in der Kaffeeherstellung.

  • Das direkte Verfahren und das indirekte Verfahren arbeiten beide mit Lösemitteln zur Koffein-Extraktion. Je nach Verwendung des Lösemittels sind diese Verfahren Bio-konform oder nicht. Dichlormethan als Lösemittel steht für die „böse“ Version, die Extraktion mit Ethylacetet gilt als natürliche Entkoffeinierung.
  • Das Kohlenstoffdioxid-Verfahren gilt als auch als natürliche und schonende Variante, zumal das eingesetzte CO2wiederverwertet werden kann.
  • Ebenso wie Ethylactet sind die Triglyceride in Kaffeebohnenölen natürliche Stoffe. Sie finden in der nach ihnen benannten Triglycerid-Methode zur Entkoffeinierung von Kaffee Anwendung.

Solange das Dichlormethan außen vor bleibt, sind auch die ersten beiden Verfahren Bio-Siegel tauglich. Die meisten entkoffeinierten Bio-Kaffees werden jedoch mit der CO2-Methode erzeugt.

 

Die Eigenschaften von Bio-Kaffee im Überblick

Bio-Kaffee gemäß den deutschen und europäischen Siegeln muss folgende Anforderungen erfüllen:

  • Anbau in Mischkulturen und mit Schattenbäumen – im Einklang mit der Natur
  • Keine chemischen Düngemittel, Wachstumsbeschleuniger, synthetischen Pflanzenschutzmittel, überhaupt keine chemischen Zusätze, die nicht in einer Positiv-Liste niedergelegt sind
  • Gentechnik ist verboten
  • Handarbeit hat Vorzug vor Maschineneinsatz
  • Schonende Verfahren bei Röstung und Entkoffeinierung
  • Keine Aussage zu Handelsfragen oder Arbeitsbedingungen

 

Siegel helfen, doch nicht jeder Bio-Kaffee ist mit Siegel ausgezeichnet

Bist du auf der Suche nach einem guten Kaffee, den Du ohne Gewissensbisse trinken kannst, in dem Wissen, dass eine vernünftige und umwelt- sowie produktschonende Herstellung vorlag? Dann kannst du dich an dem Bio- und EU-Siegel orientieren. Doch vergiss nicht, es gibt auch Bio-Kaffee ohne Siegel. Vielleicht lohnt es sich für dich, auch nach diesen traditionell hergestellten Kaffeesorten Ausschau zu halten.


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